» Installation | Entwurf – Planung – Ausführung
„The Retreat“ (2001)
Ausstellung: „Lord Norman Foster – Architecture is about People“
Ausstellungsort: Museum für Angewandte Kunst, Köln
Auftraggeber: Museum für Angewandte Kunst, Köln / FH Köln – FB Architektur
In Kooperation mit: Agentur Casino Container, Köln / Lord Norman Foster & Partners, London
Die ursprüngliche Konzeption (1964)
Noch bevor das Architekturbüro Team 4 (Norman Foster, Richard Rogers, Wendy Cheesman und Georgie Wolton) das Creek Vean House in Cornwall, ein Wohnhaus für die Familie Brumwell, fertig stellte, wurden die jungen Architekten von den Bauherren mit einem weiteren Projekt beauftragt. Rene und Marcus Brumwell besaßen auf ihrem Grundstück, direkt am Ufer des Flusses Fal, ein kleines Bootshaus, von dem aus sie oft zur Flussmündung segelten, wo sich das bewaldete Vorgebirge von Feock erstreckt und das seichte Ufer das Anlegen mit dem Boot ermöglichte. An dieser Stelle unterhielten die Brumwells eine kleine Hütte, die vor allem als Lager diente.
Die Aufgabe von Team 4 war es, hier ein außergewöhnliches Gebäude zu errichten, das über die reine Lagerfunktion hinaus die Forderung nach einem Allwetter-Aussichtspunkt mit Elektrizität, Heizung und einer einfachen Küche erfüllen sollte, dabei jedoch so einfach wie möglich gestaltet sein sollte. Die gläserne Front aus dreieckigen, rechteckigen und trapezförmigen Elementen tauchte wie das Cockpit eines Flugzeugs aus der Böschung auf und ermöglichte den »Passagieren« die Aussicht auf die Flussmündung. Die Betonschale im hinteren Teil mutete wie ein in die Erde eingelassenes Monocoque an, das sich wie eine Schutzhülle um seine Insassen legte.
Davon leitete sich auch sein Name ab: Retreat, der Rückzugs Ort, der seinen Besuchern ein heimeliges und geborgenes Gefühl vermittelt. Dies verweist auf eine Entwurfs-Grundidee: „Das menschliche Maß“.
Im vorderen, verglasten Bereich konnte man aufrecht stehen, nach hinten hin wurde die Decke der Betonschale tiefer; hier befand sich eine Bank, auf der drei Personen bequem sitzen können. Die nicht begehbaren Flächen hinter der Bank dienten als Garderobe und Ablage. In die umlaufenden Bänke waren Spüle und Ablagefächer eingelassen. Der Zugang erfolgte über ein Schiebeelement in der Front, Bewegungsflächen wurden minimiert, Restflächen gab es nicht.
Mit der Einfachheit und Klarheit seiner Formensprache bot das Retreat eine Rückzugsmöglichkeit in der Natur, ohne allzu sehr in diese einzugreifen. So sollte die Betonschale vollständig mit Pflanzen überwachsen werden, um sich noch besser in die Böschung einzufügen. Nach Vorstellung der Architekten sollte nur noch das gläserne »Cockpit« wie eine idyllische Zelle zwischen den Pflanzen herausragen. Die Glaselemente sollten so filigran wie möglich gerahmt werden, was durch schmale Stahlprofile erreicht werden sollte. Als sich jedoch herausstellte, dass die Profile nicht in der geplanten Schlankheit gefertigt werden konnten, wurde entschieden, die Rahmen in Holz auszuführen. Aufgrund der großen Glasflächen blieb der filigrane Charakter des »Cockpits« jedoch erhalten.
Die Neuinstallation (2001)
Ziel der Installation war die Nachschöpfung des Retreat, eines der radikalsten und zukunftsweisenden frühen Projekte der Architektengruppe Team 4, im Rahmen der Ausstellung »Norman Foster – Architecture is about People« im Museum für Angewandte Kunst Köln.
Was könnte es formal und inhaltlich bedeuten, wenn diese Architekturikone nach 37 Jahren aus ihrer ursprünglichen Umgebung im englischen Feock »herausgerissen« wird und in einer Großstadt landet? Kann man Fosters Retreat mit einer maßstabsgerechten Kopie gerecht werden, oder müssen nicht vielmehr Standort und Umgebungssituation Anlass sein, Gestalt und Nutzung neu zu definieren?
Fünf Architekturstudenten der Fachhochschule Köln – Christian Strang, Tobias Rose, Axel Schiller, Alex Dercks & Edgar Guth – unter der Leitung von Prof. Jochen Siegemund untersuchten diese Fragen und realisierten vor diesem Hintergrund eine neu interpretierte Modellstudie des Bauwerks im Maßstab 1 :1.
Die Ausgangsbedingungen der beiden »Retreats« konnten unterschiedlicher nicht sein: Im Kölner Stadtraum entfiel die durch Pflanzen und Sträucher »getarnte« Lage, der natürliche Rückzugs Ort mit Ausblick auf die Flussmündung und die Hügellandschaft war nicht vorhanden, sodass nun Einsehbarkeit und Interaktion mit dem städtischen Raum einen höheren Stellenwert einnahmen. Dazu kam, dass das neue Retreat nicht als Picknickplatz genutzt wurde, sondern als reines Anschauungsobjekt diente.
Um diesen unterschiedlichen Bedingungen gerecht zu werden, wurde die Installation als Metapher und Versuchsanordnung konzipiert. Sie war eine Konzentration auf Inhalt, Programm und Architekturphilosophie des Originales. Schon zum Zeitpunkt der Planung in den sechziger Jahren war Team 4 sehr darauf bedacht, innovative Materialien einzusetzen. 37 Jahre später ermöglichte der technische Fortschritt bei den Materialien eine noch filigranere Ausführung. Dennoch stellte die Installation die Form und die Proportionen des Originales unverändert dar. Die Frage nach der Qualität und Identität des Retreat wurde einzig anhand seiner Form und Maßstäblichkeit dargestellt, das heißt das Experiment diente nicht allein der Ermittlung eines Ergebnisses, sondern auch der manipulativen Darstellung der Abhängigkeit von den neuen Bedingungen.
Die entwurfliche Auseinandersetzung mit dem Retreat im Zusammenhang mit dem innerstädtischen Kontext und dem der Ausstellung führte zu einer Erweiterung und Transformation der Materialien und deren atmosphärischer Wirkungen. Die Kontraste des Retreat, -massiv und filigran, extrovertiert und introvertiert, mobil und immobil -wurden mittels der Installation interpretiert und in Szene gesetzt. Die Betonschale wurde durch eine filigrane Holzwabenkonstruktion, wie in Leicht- oder Modellbaukonstruktionen üblich, ersetzt. Die Auflösung und Strukturierung des monolithischen Körpers verlieh der Konstruktion eine gleichsam schwebende Leichtigkeit und einen temporären Modellcharakter.
Im Unterschied zum Original wurde die Installation nicht in den Boden eingelassen. Inmitten dieser Struktur ruhte die innere Zelle mit ihrer warmen und flächigen Innenraumgestaltung. Tagsüber drangen Lichtstrahlen durch die orangefarbene Verglasung in den Innenraum, was eine angenehme, geborgene Atmosphäre erzeugte. Aufgrund der Nutzung als begehbares Ausstellungsobjekt wurden rein zweckmäßige Einbauten wie Spüle, Einbauschränke und Leselampen nicht ausgeführt. Die künstliche Beleuchtung erfolgte über ein umlaufendes Lichtband unter den Sitzflächen und verstärkte in der Nacht den Höhlencharakter der Zelle.
Die Inszenierung vor dem Museum für Angewandte Kunst Köln bildete den realen Ort nicht ab. Das Geheimnis des Retreat, die Magie des Ortes wurde nicht sofort entschlüsselt, sondern erst beim Besuch der Ausstellung. Die Wirkung im öffentlichen Raum überhöhte den Anspruch des Exponates, eine anthropogene Zelle zu sein, und überführte den Besucher auf geheimnisvolle Weise in die Ausstellung.
Die Intention des Projekts war der Wunsch nach einer Gesamtinszenierung im Sinne eines atmosphärischen, emotionalen Erlebnisses, weniger im Sinne eines kommentierenden, didaktisch belehrenden Konzepts. Die Auslotung von Original und Neuinstallation, aber auch die Grenzverschiebung des Ausstellens und Inszenierens des Ergebnisses im öffentlichen Raum einer Großstadt und die Überprüfung des Resultats an der Reaktion der Besucher machen die Installation gleichermaßen zum Architekturlabor und Experimentierfeld.
Galerie: